Errungenschaften, Pädagogik, Werte


Die Pädagogische Entwicklung: Vom ONMI zur "Revolution" des Kindergartens

Das ONMI überlebte den Faschismus, und die von der Organisation betriebenen Kindergärten blieben auch in den fünfziger Jahren unverändert. Angesichts eines mittlerweile realen, weit verbreiteten und etablierten Phänomens versuchte die Politik ab den sechziger Jahren, auf legislative Weise in pädagogische Aktivitäten einzugreifen.

1960: Die UDI formuliert einen Gesetzesvorschlag zur Auflösung des ONMI (die erst 1975 erfolgen wird).

1962: Die PCI formuliert einen Gesetzesvorschlag (von Angiola Minella), um Kinderkrippen zur Betreuung von Kindern bis zu 3 Jahren einzurichten.

1968: Gesetz vom 18. März 1968, Nr. 444 über die Organisation der staatlichen Scuole Materne (wörtlich: Mutterschule)Erst mit dem Gesetz Nr. 53 vom 28. März 2003 wird der Begriff Scuola Materna (Mutterschule) durch den Begriff Scuola dell'Infanzia (Schule der Kindheit) ersetzt.

Im Gesetz Nr. 1028 aus dem Jahr 1970 wurden die Aufgaben der Kindergärtnerinnen definiert. Jedoch war die Berufsgruppe immer noch eher mit Krankenschwestern als mit Lehrern oder Sozialarbeitern vergleichbar, und es war keine Figur vorgesehen, die sich mit der psycho-physischen Entwicklung des Kindes befasste.

Erst mit dem Gesetz Nr. 1044 vom 6. Dezember 1971 wurden die neu konzipierten Kinderkrippen eingeführt, die den Regionen übertragen wurden. Diese waren auch für die Ausarbeitung technischer Vorschriften zur Förderung einer harmonischen Entwicklung des Kindes zuständig. Das Gesetz sah vor, dass die Kinderkrippen unter Beteiligung der Familien und der Sozialpartner, mit qualifiziertem Personal und angemessenen technischen, baulichen und organisatorischen Voraussetzungen betrieben werden mussten.

Die ersten Kinderkrippen in der Region Emilia-Romagna öffneten 1969 in Modena und Bologna, 1971 in Reggio Emilia. Das erste diesbezügliche Regionalgesetz wurde 1973 verabschiedet.

Eine neue Pädagogik: Malaguzzi

Die Kernpunkte des neuen Erziehungsprojekts (die Figur der Fachberater:in, die räumliche und zeitliche Organisation von Kinderkrippen und Kindergärten, die aktive Beteiligung der Familien) wurden im Laufe der Zeit vor allem durch die Arbeit von Loris Malaguzzi und seinen Mitarbeiter:innen etabliert.

Malaguzzi, Pädagoge und Psychologe, hatte in den 50er Jahren in der Leitung des "Medizinisch-Psycho-Pädagogischen Zentrums" in Reggio Emilia gearbeitet. Im folgenden Jahrzehnt bekam er durch die Eröffnung neuer Kinderkrippen und Schulen der Kindheit die Möglichkeit, direkt in diesem Bereich zu experimentieren. Dabei bildeten die genannten Stärken von Anfang an den konzeptionellen und praktischen Rahmen für ein Projekt, das sich ständig weiterentwickelte. Im Vorgriff auf spätere gesetzliche Regelungen führte Malaguzzi 1965 die Figur der/des "Atelierista" ein (Fachkraft mit künstlerischer statt pädagogischer Ausbildung).

In den Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs erlebte Italien epochale soziale und wirtschaftliche Phänomene: die Ausweitung des Arbeitsmarktes, die Massenschulbildung, die zunehmende Vebreitung von Frauen- und Gewerkschaftsbewegungen, die sich für die Förderung des Sozialwesens einsetzten.

Die zunehmende Verstädterung ganzer Gemeinden, die zuvor ländlich geprägt waren, und die rasche Zunahme der Präsenz von Frauen am Arbeitsplatz erforderten angemessene Betreuungs- und Pflegedienste wie die Einrichtung von Kinderkrippen, was auch dank eines neuen Bewusstseins für die kollektive Verantwortung für Bildung und Erziehung möglich wurde.

Nach dem Jahr 1968, fühlten wir uns mit einer wichtigen Rolle betraut. Wir nahmen am Wachstum der Kinderkrippen und Schulen der Kindheit in ihrer Blütezeit teil, die wir mit großem Enthusiasmus erlebten, weil wir wussten, dass wir die veralteten Erziehungsmodelle, für die das ONMI stand, verändern würden. Wir hatten einen neuen Raum, der noch komplett aufzubauen war, mit großer Verantwortung und Leidenschaft. Die Verwaltung und auch die Familien glaubten sehr an ein gemeinsames Bildungsprojekt, und die Beteiligung an öffentlichen Veranstaltungen war manchmal so groß, dass es schwierig war, sie zu leiten.(Manuela Davoli, Erzieherin im Kindergarten Birillo", Novellara)

Bereits 1972 verabschiedete der Stadtrat Reggio Emilia die Verordnung für die Schulen der Kindheit zur Planung von Kinderkrippen (ausgearbeitet von einem Ausschuss unter dem Vorsitz von Loris Malaguzzi und bestehend aus Lehrern, Technikern und Ratsmitgliedern).

Es wurde ein kulturelles und pädagogisches Projekt ausgearbeitet, das eine Verbindung zwischen der Kinderkrippe und der Schule der Kindheit ermöglichen sollte. Man hoffte, dass diese Verbindung auch auf die folgenden Schuljahre ausgedehnt werden könnte (ein Konzept, das in der Bassa Reggiana unterstützt wurde, aber in der Gesetzgebung der siebziger Jahre fehlte).

Bassa Reggiana (Ländlicher Raum in der Po-Ebene bei Reggio Emilia)

Die 1970er Jahre waren auch in der Bassa Reggiana die Jahre des großen Aufbruchs und Engagements:

1951: Eröffnung der Schule der Kindheit (Kindergarten) "Soliani Scutellari" in Brescello

1966: Eröffnung der Schule der Kindheit (Kindergarten) "Arcobaleno" in Novellara

1969: Eröffnung der Schule der Kindheit (Kindergarten) "La Ginestra" in Poviglio

Der Frauenbund UDI sammelte 50.000 Unterschriften für ein Gesetz über die Einrichtung von Kinderkrippen für Kinder bis zu drei Jahren.

Als ich 1970 in die Schule der Kindheit von Luzzara kam, erlebte ich zunächst ein Jahr lang eine Lehrerin alter Schule: Die Kinder marschierten, sangen wie Soldaten und der Umgangston war sehr streng. Doch die Anliegen und Sensibilitäten, die zur Verabschiedung des Gesetzes 1044 geführt hatten, wurden sofort spürbar. Die Saat der Pädagogischen Koordinierung wurde schon damals gelegt. Wir jungen Lehrerinnen fühlten uns unvorbereitet, Kinder kompetent zu betreuen, und es wurde die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Weiterbildung deutlich, auch in Zusammenarbeit mit der Sozialarbeiterin, der Psychologin, der Logopädin und dem Arzt, die das medizinische Team bildeten. (Paola Massari, Erzieherin in der Schule der Kindheit in Luzzara von 1970 bis 1984, später Leiterin des Schulamtes der Gemeinde Luzzara)

1970: Im Kindergarten "Arcobaleno" in Guastalla, gegründet im Jahr 1883 und geleitet von den Ursulinen, wird das religiöse Personal durch säkulares Personal ersetzt.

1971: Eröffnung der ersten städtischen Kinderkrippen in der Bassa Reggiana: "Birillo" in Novellara, gefolgt von "Aquilone" im Jahr 1974.

1972: Eröffnung der Kinderkrippe "La Stella" in der Gemeinde Luzzara.

1974: Die Kinderkrippe in Boretto, die seit 1964 vom ONMI betrieben wurde, wird an einen neuen Standort verlegt und direkt der Gemeindeverwaltung übergeben.

Die Geschichte der Kinderkrippe von Boretto begann im Jahr 1964... Es war ein Service, der hauptsächlich auf das körperliche Wohlbefinden und die Betreuung von Jungen und Mädchen ausgerichtet war. Ab 1975 wurde sie zu einer städtischen Kinderkrippe, und vor allem dank des Einsatzes von Fachberatungen begann man zu verstehen und zu entdecken, dass auch kleine Mädchen und Jungen als kompetent und lernfähig betrachtet werden konnten, da sie über einen aktiven Geist verfügten und fähig waren, Gedanken zu produzieren... (Sandra Covi, Lehrerin in der Kindertagesstätte "Zenit" in Boretto)

1975: Eröffnung der "Pollicino"-Kinderkrippe in Guastalla.

1976: Eröffnung der Kinderkrippe "Gianni Rodari" in Poviglio.

1977-1980: Beginn der Aktivitäten der Kinderkrippen: "La Rondine" (Guastalla), "Il Ciliegio" (Gualtieri), "Bambi" (Reggiolo) und "Carmen Zanti" (Brescello).

Es waren Jahre tiefgreifender Veränderungen in den Familienstrukturen, in denen neue Gesetze zu Scheidung, Abtreibung und zum Familienrecht verabschiedet wurden. Nach der Verabschiedung des Gesetzes Nr. 1044 vom 6. Dezember 1971 war der "Nationale Plan für Kinderkrippen" von 1971 ein wichtiger erster Schritt. Dieser ging mit der Dezentralisierung der Vorschriften und der Verwaltung einher, wodurch den neu geschaffenen Regionen und den Gemeinden ermöglicht wurde, diese Dienste schnell und effizient zu organisieren.

Die Erfahrungen von Malaguzzi hatten auch Einfluss auf das ländliche Gebiet bei Reggio Emilia, das darüber hinaus mit anderen zeitgenössischen Bildungserfahrungen wie der von Franco Frabboni in Bologna in Berührung kam. Die örtlichen Verwaltungen arbeiteten zudem mit Mitarbeitern von Loris Malaguzzi zusammen, wie im Fall von Carla Rinaldi, die als pädagogische Beraterin für die Gemeinde Novellara (1972-1975) tätig war.

Die Pädagogin Pina Tromellini begann 1988, nachdem sie ihre schon 1974 aufgenommene Tätigkeit in Reggio Emilia beendet hatte, ihre Mitarbeit bei der Schaffung einer interkommunalen pädagogischen Koordination der Bassa Reggiana. Sie erinnert sich wie folgt daran:

Es gab viel zu tun... die Schulen waren wunderschön und das Personal zeigte sich neugierig und motiviert. Sie waren sich der wegweisenden Erfahrungen in Reggio Emilia bewusst, strebten jedoch nicht einfach eine bloße Nachahmung an. Ihr Interesse galt vielmehr der Weiterentwicklung pädagogischer Ansätze, während sie gleichzeitig ihre eigene Identität bewahrten und Unterschiede respektierten. Im Gegensatz zur Stadt war die Bassa Reggiana von Anfang an von einem anderen räumlichen und sozialen Kontext geprägt, der ländlicher und vielfältiger war. Dies erforderte sehr bewusst Instrumente für die Entwicklung eines maßgeschneiderten Bildungsweges. Man spürte das konkrete Bestreben, voranzukommen und ein gemeinsames, akzeptiertes Projekt aufzubauen, das den Gegebenheiten, Bedürfnissen und Ressourcen dieses Kontextes gerecht wurde.

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